Anouk Lamm Anouk
Anouk Lamm Anouk unter der Arbeit Herde N°1, Foto © Lukas Beck

Studio Visit: Anouk Lamm Anouk

Anouk Lamm Anouk zählt zu den Shootingstars der jungen Kunstszene Österreichs. 2021 diplomierte sie an der Akademie der bildenden Künste Wien. 2022 kürte sie die jährliche Kunstmarktausgabe des Wirtschaftsmagazins „Trend“ zur vielversprechendsten Newcomerin. Seitdem nahm die künstlerische Karriere von Anouk Lamm Anouk ordentlich Fahrt auf. Im Herbst 2024 stehen mehrere große Ausstellungen an, für die Anouk Lamm Anouk aktuell an neuen Werken arbeitet.

In den letzten Jahren hattest du eine Reihe von Ausstellungen. Wie sehr hat sich deine künstlerische Karriere verändert, seit du 2021 dein Diplom an der Akademie gemacht hast?

Juni 2021 habe ich diplomiert und den STRABAG Artaward International gewonnen. Kurz darauf kontaktierte mich Patricia Low und bot mir den Eröffnungsslot für ihre neuen Galerieräumlichkeiten an. Die ganze Galerie, die sich über zwei Etagen erstreckt! Es folgten Messen und Ausstellungen, die schnell immer internationaler wurden. Mit gerade einmal 30 hatte ich dann meine erste museale Einzelausstellung. Das hat mich schon stolz gemacht. Meine Frau und ich machen eigentlich nie Urlaub. Disziplin ist unerlässlich für eine Kunstkarriere und für all die Ideen in meinem Kopf. Fürdie Realisierung all dieser Ideen müsste der Tag mehr Stunden haben oder die Woche mehr Tage.

Anouk Lamm Anouk

Anouk Lamm Anouk im Atelier vor den Arbeiten »13 Lambs« und einem Werk aus der Serie »Human/Horse« (in Arbeit), Foto: Lukas Beck, 2024 (li.), Anouk Lamm Anouk, 13 Lambs, Foto: Simon Veres (re.)

Im Herbst stehen eine Reihe von weiteren Ausstellungen an, was ist geplant?

Los geht es mit der Armory Show Anfang September in New York. Hier werden ich mit der Galerie Pablo’s Birthday Werke aus meinen Serien post/pre und Lesbian Jazz zeigen. Am 14. September eröffnet dann meine Soloshow „From Humans, Horses and Hounds“ bei Patricia Low Venezia. Ich werde auch auf der Art Cologne vertreten sein und es sind große Ausstellungsprojekte in Hong Kong, Deutschland und Österreich geplant. Weitere Pläne gibt es für Projekte in New York.

War es für dich von Beginn an klar, einen künstlerischen Beruf zu ergreifen?

Absolut, ich denke die Kunst ist von Anbeginn essenzieller Teil von mir. Ebenso wie mein Autismus, mein Gerechtigkeitssinn oder meine Tierliebe, Diese führte dazu, dass Animal Liberation mir schon immer ein Anliegen war. Ich ohne Kunst wäre nicht ich. Ich bin in den 90er Jahren zur Welt gekommen, in meiner Kindheit und Jugend hat es an Worten wie an Sichtbarkeit gefehlt. Mut zur Sichtbarkeit hilft anderen. Da ist Kunst ein sehr wichtiges Medium. Bevor es ein Wort für Personen gab, die sich weder weiblich noch männlich fühlen, viel mehr feminine und maskuline Züge vereinen, abseits vom Binären, hatte ich dieses Gefühl und nicht-binären Körper gemalt. Da war ich vielleicht sechzehn. In der deutschsprachigen Öffentlichkeit konnte man damals lesbische Personen oder gar Paare an einer Hand abzählen. Das ändert sich nun langsam und es freut mich, dass meine Frau und ich ein Teil davon sind. Zwei Gesichter gelebter Queerness in der Öffentlichkeit, etwas das ich als Kind gerne öfters gesehen hätte. Ohne die Kunst wäre ich nicht, wo ich heute bin, ohne die Kunst wäre ich einfach nicht ich.

Lesbian Jazz und post/pre sind deine bislang umfangreichsten und auch bekanntesten Serien. Während „Lesbian Jazz“ Figuration mit Abstraktion verbindet, sind die Gemälde der Serie „post/pre“ vollkommen abstrakt und sehr reduziert. 

Klarheit und der Mut zur Leere sind ein Schlüssel, um sich selbst zu finden und auszubrechen aus einer kapitalistischen Welt, in der wir funktionieren müssen, in der uns vorgeschrieben wird, wie man zu sein hat. Die Leere wird zum Fundament der Fülle zu einer Metapher für einen unbestimmten Möglichkeitsraum.

 

Anouk Lamm Anouk

Anouk Lamm Anouk, post/pre N°6, 2021 (li.), Anouk Lamm Anouk, aus der Serie »Lesbian Jazz« 2023 (m.), Anouk Lamm Anouk, aus der Serie
»Lesbian Jazz« (re.), Fotos: Simon Veres

 

Deine Werke sind auch Reflektionen über die Welt. Kann man mit der Kunst einen Shift erreichen?

Sichtbarkeit ist eine wichtige Voraussetzung für eine Normalisierung. In „Lesbian Jazz“ geht es mir um die Sichtbarkeit von Queerness. Es geht auch um Anerkennung – und die soll für alle sein.

In Arbeiten wie „Herd N°1“ oder auch in deinen neuen Serien spielen Tiere immer wieder eine große Rolle. Worum geht es dir dabei?

Es geht mir dabei um die Ambivalenz der kulturellen und historischen Zuschreibungen an das Pferd. Das Pferd ist für mich ein Symbol für Weiblichkeit und Männlichkeit zugleich. Feldherren, Eroberer, Herrscher werden oft zu Pferd dargestellt – auf dem Pferd sitzend, um sich zu erheben und in den Krieg zu ziehen. Doch eigentlich ist das Pferd ein scheues Fluchttier, das in einer Herde lebt. Diese wird angeführt von einem erfahrenen weiblichen Tier, der Stute, die Futter und Wasserplätze kennt und auf dem Weg Richtung und Tempo vorgibt. Pferde sind essenziell für die Menschheitsgeschichte, wir wären ohne sie nicht wo wir heute in unserer Entwicklung sind. Und doch haben wir Menschen wenig Dankbarkeit diesen und anderen Tieren gegenüber, sondern nutzen sie weiterhin aus. Das tut mir weh, das tat mir schon immer weh. Eigentlich könnten wir so viel von anderen Spezies lernen und in Harmonie und Wertschätzung miteinander leben. Meine Kunst soll dafür Raum schaffen.

Es geht es dir um eine andere Einstellung zu unserer Umwelt und zu Tieren im Speziellen? 

Genau. Das Thema Antispeziesismus wird auch in meinen Herbstausstellungen eine große Rolle spielen. Es geht mir dabei um einen neuen Naturbegriff im Sinne eines harmonischen und ebenbürtigen Zusammenlebens von Mensch, Tier und Natur. Es geht um einen anderen Umgang mit Tieren und um eine Auflösung der Hierarchien. Darin sehe ich eine Chance zur Änderung bestehender Herrschaftsbeziehungen.

Ein wichtiges Element deiner Malerei ist das rohe Naturleinen. Warum arbeitest du auf einer ungrundierten Leinwand?

Ich verwende für meine Bilder belgisches Leinen, das auf einer Seite eine transparente Acrylgrundierung hat. Ich arbeite aber auf der ungrundierten Seite der Leinwand. Diese nimmt die Farbe ganz anders auf. Leinen und Farbe können dadurch verschmelzen. Meine Malerei ist etwas sehr Intimes und Nahes. Sie kann nur entstehen, wenn Leinen und Farbe sich treffen und keine Trennung dazwischen ist. Ebenso ist mir die Farbe und die Materialität des Leinens wichtig. Durch das direkte Arbeiten auf rohem Leinen wird auch der Arbeitsprozess sichtbar gemacht.

Anouk Lamm Anouk

Anouk Lamm Anouk und Marleen Anouk-Roubik mit einer Arbeit aus der Serie »Lesbian Jazz«, Foto: Daniel Alexander Wendt, 2023 (li.), Anouk Lamm Anouk, post_pre N°10, 2022, Foto: Simon Veres, 2023 (m.), Anouk Lamm Anouk im Atelier, Foto: Lukas Beck (re.)

 

Blickst Du pessimistisch in die Zukunft? 

Ganz im Gegenteil, ich bin ein durch und durch optimistischer Mensch. Zuversicht und der Fokus auf das Gute erscheint mir essenziell wichtig. Dennoch ist es eine ungewisse Zukunft, der wir entgegengehen. Aus diesem Gefühl heraus entsteht auch seit 2023 die Serie „Nostalgia for a Future“ Sie zeigt Hundepaare in einer reduzierten Landschaft stehend. Sie stehen mit den Rücken zu den Betrachter:innen und blicken zum Horizont. Nostalgie ist ein Begriff, der ganz klar in der Vergangenheit verhaftet ist. Ich neigte nicht zur Nostalgie, doch plötzlich stieg in mir ein neues Gefühl auf, das mich zu dem Begriff der Zukunftsnostalgie gebracht hat.

Meine Nostalgie richtet sich an eine Zukunft, in der die Sommer wieder gemäßigter sind. An eine Zukunft, in der wir nicht überwiegend in den Schatten fliehen müssen und uns Stürme und Fluten heimsuchen. Ich mache mir viele Gedanken wo meine Frau, ich und unserer Tiere später leben werden und welche Räume noch lebenswert sind. Ich denke, so verändert sich auch der Heimatbegriff. Die erlangte Sesshaftigkeit führt durch den Klimawandel vielleicht künftig wieder zu einem nomadischeren Lebensstil. Es ist keine Nostalgie im Sinne des „Früher war alles besser“, sondern ein Gefühl für eine potenzielle, unklare Zukunft. Ein Blick in eine Zeit, die ich noch nicht erlebt habe. Daher sind auch stets Hundepaare dargestellt, weil ich überzeugt bin, dass sich dieses Ungewisse unserer Zukunft gemeinsam leichter bewältigen lässt.

Was bedeutet #jungbleiben für dich?

Jung bleiben verstehe ich als Metapher dafür im Fluss zu bleiben, nicht stehen zu bleiben, sondern weiterzugehen. Sobald man sich mehr mit der Vergangenheit als der Gegenwart befasst hört das #jungleiben auf. So beobachte ich das zumindest bei älteren Generationen, nur die, die mit der Zeit gehen bleiben wach, offen, interessiert und das spiegelt sich im Körper und Seele wider.

Wer auf eine andere Art jung bleiben für mich repräsentiert ist Cher. Es gibt ein Meme in dem ein Foto aus dem Jahr 1972 von Janet Jackson und Cher zu sehen ist. Janet Jackson ist auf diesem Foto sechs oder sieben Jahre alt, Cher ist auf dem Foto 25 oder 26, sieht aber über fünfzig Jahre später kaum anders aus. Es gibt nur zwei Antworten; entweder hat sie das jung bleiben sehr verinnerlicht oder uns einen Daseinsbeweis für Vampire geliefert.

Interview: Silvie Aigner

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