Studio Kuchar
Fotos © Thomas Podobnig

Studio Visit: Karo Kuchar

Gerade stellte sie in New York auf der NADA House aus, im Dezember ist sie Teil der Untitled Art Messe in Miami und diesen Frühling hat sie auf der Wiener SPARK aufgezeigt: Karo Kuchar ist nicht aufzuhalten und trifft mit ihren Themen genau ins Schwarze. Feminismus, Kapitalismus und wie die beiden eng miteinander verwoben sind, beschäftigen die Wiener Künstlerin unter anderem. Ein Ateliergespräch.

Wie bist du von deinem ersten Leben als Juristin, inklusive Studienabschluss und Berufserfahrung, zum zweiten Leben als Künstlerin gekommen?

Kunst hat mich zwar immer in irgendeiner Form angezogen, aber ich zog es sehr lange nicht ernsthaft in Erwägung, tatsächlich bildende Künstlerin zu werden. Kunstschaffen muss man sich auch leisten können. Meine Eltern sind in den 1980er-Jahren aus Polen und Tschechien nach Österreich gekommen und ich denke, mir ging es ähnlich wie vielen jungen Menschen mit Migrationshintergrund – ich brauchte zunächst (finanzielle) Sicherheit. Und die hat man in der Kunst jedenfalls nicht. Irgendwann habe ich es aber einfach nicht mehr ausgehalten und beschlossen, mich endlich auf der Kunstuni zu bewerben. Ich dachte: „Jetzt oder nie.“

Aber warum war es dir wichtig, Kunst zu studieren und es nicht als Autodidaktin zu probieren?

Mir war es sehr wichtig, als Künstlerin ernst genommen zu werden. Und Österreich ist bekanntermaßen sehr titel-fixiert. Auch für Förderungen und Kunstpreise wird hier oft ein abgeschlossenes Kunststudium verlangt. Abgesehen davon bietet die Akademie großartige Möglichkeiten, sich künstlerisch auszutoben und alle möglichen Techniken auszuprobieren.

 

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Fotos © Peter Mochi, Galerie Sophia Vonier

 

Von der figurativen Malerei, die du unter anderem bei Daniel Richter studiert hast, hast du dich aber weit entfernt. 

Interessanterweise heißt seine Klasse ja offiziell “erweiterter malerischer Raum”, was grundsätzlich schon zu meiner Arbeit passen würde. Aber ja, anfangs habe ich noch gemalt und viel mit Ölkreide gearbeitet. Doch dann habe ich begonnen, mich mehr für das Material an sich zu interessieren. Vor allem Stoffe haben es mir angetan. Schon im ersten Jahr habe ich angefangen, mit transparentem Material zu experimentieren. Es bietet so viele Möglichkeiten, vor allem auch mit dem Raum zu arbeiten. Textil ist meiner Meinung nach ein unheimlich starkes und wandelbares Medium. Mit meinen Stoffen trage ich Wandoberflächen ab, die ich dann zu fast malerischen Werken verarbeite, ich vernähe sie zu meinen Soft-Skulptur-artigen Arbeiten oder riesigen Installationen, wie den Raumanzügen. Außerdem lassen sich Stoffe hervorragend transportieren – und ich bin viel unterwegs.

Inzwischen machst du auch Keramiken?

Ich mache Keramik, immer wenn es für mich Sinn macht. Ich passe meine Praxis an oder lerne eine neue Technik, wenn es eben nötig ist, um meine Idee bildnerisch umzusetzen. Kunst die direkt in den Raum hineindringt, tritt in eine – für mich persönlich – sehr spannende Beziehung mit dem Raum und den Betrachter:innen. Ich habe auch das Gefühl, dass ich mich über meine Objekte besser ausdrücken kann.

Die Malerei ist aber dennoch eine Komplizin.

Ja, sie kommt oft ergänzend dazu, wie bei den „Tinder Boys“. Aber auch hier gilt, wenn es für mich Sinn macht, dann male ich. Ich möchte mich nicht auf ein Medium festlegen. Allerdings spiele ich viel mit dem Gemäldebegriff und spanne meine Stoffe auch gerne über Keilrahmen. Ich schließe für mich auch nicht aus, irgendwann wieder zu malen, aber dafür bräuchte ich viel Platz, weil ich male alles andere als sauber.

Der Keilrahmen ist auch ein Gerippe, ein Körper und der Körper ist eines deiner zentralen Themen. 

Ja, der Körper als Raum ist jedenfalls wichtig für meine Arbeit. Insbesondere geht es mir aber um alles, was zwischen den Räumen liegt. Um Schichten und Grenzen. Haut, Kleidung, aber auch unsere Smartphones – das sind alles Dinge, die Räume umschließen, die uns gleichzeitig bekleiden und verbinden, aber auch abgrenzen.

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Fotos © kunst-dokumentation.com

 

Die absolute Metapher für Grenzen sind Mauern – du hast eine Technik entwickelt, Mauerwerk in Gemälde zu überführen.

In den letzten Jahren habe ich Wandoberflächen an den unterschiedlichsten Adressen abgetragen und auch dafür meine transparenten Stoffe genutzt. Diese Stoffe, versehen mit Wandoberflächen aus alten Räumen, verarbeite ich dann weiter, zuletzt in einem 2,5 Meter hohen “Raumanzug”. In meinen neuesten Arbeiten habe ich mich allerdings ein wenig von den alten Wänden entfernt. Ich verwende zwar den gleichen Stoff, aber in anderen Kontexten.

Wenn ich an deine Arbeiten denke, denke ich an Feminismus, Kapitalismus, Empowerment – harte, schwere Themen. Gleichzeitig bringen mich deine Arbeiten oft zum Schmunzeln. 

Humor als Türöffner ist mir wichtig. Ich denke, das ist meine Art, mit Wut und Trauer umzugehen und künstlerisch an bestimmte Themen heranzutreten. Seit einiger Zeit beschäftigt mich die Beziehung zwischen Kunst und Geld. Der Kunstmarkt ist ein erbarmungs- und regulierungsloser Raum. Mit meinen Arbeiten unter dem Titel “Moneyfestation” wollte ich dies auf humorvolle Weise thematisieren.

Sehr humorvoll sind die „Tinder Boys“ oder deine Präsentation „Please not another dude who paints” auf der PARALLEL Vienna 2021. Gibt es auch Männer, die sich an solchen Präsentationen stören? 

Ich finde, die sind eigentlich recht harmlos. Aber klar, es gibt natürlich Männer, die beleidigt reagieren. Andere wiederum können es super annehmen. Doch ist am Kunstmarkt die Kunst von Männern noch immer weit präsenter als jene von Frauen und Frauen werden nach wie vor diskriminiert. Kunst von Männern wird teurer verkauft, hängt mehr in Museen, erzielt die höchsten Preise bei Auktionen – also eigentlich brauchen sie wirklich nicht beleidigt zu sein.

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Fotos © Keenon Perry (li), Marlene Burz (re)

 

Du warst heuer einen beträchtlichen Teil des Jahres in New York, davor hast du in Paris gelebt – jetzt hat dich Wien wieder – was unterscheidet die Kunstszenen der drei Städte?

Den Menschen in New York geht es weniger darum, ob und wo man studiert hat. Es geht darum – bist du leidenschaftlich, bist du professionell, bist du offen? Natürlich ist der Kunstmarkt überall auf der Welt ein sehr urteilender Ort mit ausgefahrenen Ellbogen, aber ich habe das Gefühl, umso kleiner die Stadt, umso schneller spürt man die auch.

Und wie hast du das Leben in Paris empfunden? 

Es ist etwas härter als Künstlerin in Paris, weil es einfach so viel teurer ist als in Wien. Ich liebe Paris, diese Stadt ist unglaublich inspirierend und divers. Ich bin immer wieder gerne dort, aber man hat tendenziell viel weniger Platz zum Arbeiten und auch zum Ausstellen. Das hemmt natürlich, wenn man wie ich auch gerne mal in XL arbeitet.

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Fotos © by the artist

 

In Paris ist eine sehr spezielle Fotoarbeit entstanden – du und eine Arbeit von dir, kaum bekleidet vorm Eiffelturm, was hat es damit auf sich? 

Diese Arbeit ist in Paris während der Pandemie entstanden. Wie die meisten Künstler:innen war auch ich in dieser Zeit oft allein mit meiner Kunst, denn Ausstellungen gab es keine. Es ist eine Art Robinson-Crusoe-Geschichte, nur bin ich nicht auf einer Insel gestrandet, sondern in der Großstadt. Also unternehme ich eine Sightseeing-Tour im Partnerlook mit meiner Kunst. Dazu habe ich mir einen Badeanzug aus dem gleichen “Wand-Stoff” genäht, wie ihn diese Arbeit trägt. Es war sehr früh am Morgen und niemand war unterwegs – außer natürlich die Polizei! Und was war das Problem? Ich sollte eine Maske aufsetzen! Heute finde ich das Bild, auf dem ich kaum etwas trage, außer Kunst und Maske, großartig und eine passende Erinnerung an diese Zeit.

Fotografie spielt zur Umsetzung bestimmter Projekte auch eine wichtige Rolle für mich. Wenn ich für eine meiner Ideen auf gute Fotos angewiesen bin, arbeite ich am liebsten mit der Fotografin Vilma Pflaum oder Mila Nijinsky zusammen, die sind beide genial.

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Fotos © Mila Nijinsky

Was wünschst du dir für die Zukunft? 

Ein besseres soziales Netz für Künstlerinnen und faire Bezahlung. Auch als Künstlerin braucht es Planungssicherheit für Familiengründung und eine Perspektive für die Pension – es braucht soziale Absicherungen.

Was bedeutet #jungbleiben für dich?

Immer wieder (künstlerisch) neues auszuprobieren, um sich weiterzuentwickeln. Als ich 2013 in New York gelebt habe, hat ein Bekannter zu mir gesagt “the freshest water keeps on moving”. Ich denke, da ist was dran.

Interview: Paula Watzl

7. Oktober 2024
Studio 30/31 im #jungbleiben Portrait

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