was ist luxus

Was bedeutet Luxus heute überhaupt?

Trotz Rekordzahlen der letzten Jahren, ist der Luxusgütermarkt derzeit im Umbruch. Denn nach Jahren des Wachstums verzeichnete die Branche 2024 erstmals einen Rückgang bzw. eine Normalisierung und auch die Definition von Luxus ändert sich für viele Konsument:innen.
Dr. Julia Riedmeier widmet sich als Trendforscherin und Strategieberaterin mit ihrer Agentur CODE \ LUXE der Beratung etablierter Luxusmarken und entwickelt für sie zukunftsorientierte Strategien. Darüber hinaus berät sie Unternehmen und Start-Ups, die in diesen Bereich einsteigen wollen. Das #jungbleiben Magazin hat mit ihr über den höchstpersönlichen Begriff des Wortes Luxus gesprochen und welche Substanz er in unserer gesellschaftlichen Kultur hat, denn für jeden bedeutet er etwas anderes, wie die Expertin eingangs erklärt.

Wie definieren Sie Luxus heute und wie wird sich diese Definition in den kommenden Jahren weiterentwickeln?

Luxus ist sehr facettenreich: ob immateriell oder materiell definiert, ob von einer Markenstrategie oder einer individuellen Interpretation gedacht. Die Luxus-Definition ist dabei stets von Rarität, Relativität und Relevanz geprägt. Heute geht es bei Luxus vor allem um ein Gefühl, einen Feel-Good-Zustand. Themen wie Longevity, Wellbeing, Transformation halten verstärkt Einzug in die Luxuswelt und stoßen klassische Luxusprodukte vom Thron. Idealerweise geht der Luxuskonsum über den eigenen Hedonismus hinaus und bietet auch einen Mehrwert für die Gesellschaft und Umwelt.

Ist echter Luxus in der Zukunft nur noch nachhaltig – oder gibt es einen Konflikt zwischen Luxus und Umweltschutz?

Das Wort Nachhaltigkeit wird oft inflationär verwendet oder auf den ökologischen Aspekt reduziert. Natürlich können wir einerseits von der Langlebigkeit – etwa Qualität und Design – eines Luxusprodukts sprechen oder von einem nachhaltigen Luxuserlebnis. Andererseits wird der ökologische Nachhaltigkeitsaspekt oft mit Einbußen des eigenen Komforts in Verbindung gebracht, was einen kognitiven Konflikt zwischen beiden Dimensionen darstellt. Doch Nachhaltigkeit umfasst neben Umwelt auch die Wirtschaft und das Soziale. Und das geht oft unter. Verschiedene Luxusindustrien – ob Automotive, Hospitality oder Yachting – agieren bereits in diesem Sinne nachhaltig. Sie schaffen Jobs, leisten einen erheblichen Beitrag zur Wirtschaft, erhalten Kulturgüter, treiben Innovationen voran und investieren kontinuierlich in Maßnahmen zum Umweltschutz. Deshalb plädiere ich eher für das Wort Verantwortung, die sowohl von Konsument:innen wie auch von Unternehmen getragen werden muss. Und ganz so neu ist das nicht, wenn man an die Leitprinzipien des “Ehrbaren Kaufmanns” denkt.

Sind digitale Mode, KI-gestützte Designs und virtuelle Luxusprodukte wie NFTs ein echter Fortschritt oder eher eine Marketingstrategie ohne Substanz?

Neben der Erweiterung des Produktportfolios in digitale sowie virtuelle Bereiche sind diese neuen Formate auch eine Marketingstrategie, die neuen Zielgruppen Zugang zur Marke schafft. Ob dies Substanz hat oder nicht, entscheiden am Ende die Konsument:innen. Im Idealfall übersetzen die neuen Formate die Markenwerte und -Codes und bieten einen Mehrwert – ob edukativ oder mit Anwendung in der realen Welt. Dann sollte auch die Substanz gegeben sein.

“Heute geht es bei Luxus vor allem um ein Gefühl, einen Feel-Good-Zustand.”

Dr. Julia Riedmeier
dr. julia riedmeier

Dr. Julia Riedmeier analysiert den Luxusmarkt, erforscht Luxustrends und berät Marken mit ihrer Agentur CODE \ LUXE. Zudem lehrt sie zum Thema Luxusmarkenmanagement. | Fotos © CODE \ LUXE

Wird der klassische Luxusmarkt auf den Trend zu Second-Hand, Leihen statt Kaufen und bewussten Konsum reagieren müssen – und wenn ja, wie?

Der klassische Luxusmarkt wird sich dem Trend und Hinwendung zum bewussteren Konsum anpassen müssen – und macht dies bereits in manchen Bereichen. Während in der Uhren-, Automobil- und Yachtindustrie diese Konzepte längst etabliert sind, überlässt die Modebranche den Markt bisher oft Drittanbietern. Erste Luxusmarken reagieren jedoch mit Kooperationen: Mytheresa arbeitet mit Vestiaire Collective zusammen, Burberry kooperiert mit Cocoon, hier gibt es Handtaschen-Abos, sowie HURR, eine Mietplattform. Bei Luxus-Fashionmarken sind Services zur Wiederaufbereitung – wie ReBurberry oder das Chanel & moi Atelier – bereits fester Bestandteil. Bewusster Konsum spielt dabei eine Rolle, aber ebenso die Notwendigkeit von Marken, eine moderne Markenwahrnehmung zu fördern und den Kund:innen eine Auswahl an für sie passende Optionen zu bieten.

Verwässert die Zusammenarbeit von Luxusmarken mit High-Street-Brands und Influencern den ursprünglichen Luxusgedanken oder ist sie eine notwendige Anpassung an neue Zielgruppen?

Zu Beginn haben sich etablierte Luxusmarken in ihren Elfenbeintürmen eher bedeckt gehalten. Und das zu Recht. Der Zeitgeist hat sich jedoch gewandelt und das vor allem durch Social Media. Die Marken-Community schätzt den menschlichen Aspekt, die Integration einer Marke in das reale Leben und wie diese Einzug in die Lebenswelt hält. Wie eine Luxusmarke das exakt umsetzt, hängt u.a. vom Markenkern und dem Produktportfolio ab – und ob hier nochmals im Sinne der Produktpyramide differenziert wird. Interessant zu beobachten ist, dass Nischen-Multiplikatoren eine immer wichtigere Rolle spielen. Das Spielfeld wird komplexer, doch Rahmenbedingungen wie Authentizität und ein passender Markenfit bleiben weiterhin unangefochten.

“‘Quiet Luxury’, also der subtile Luxus, reflektiert den Kern des ursprünglichen Luxusgedankens und stellt Qualität über das Logo.”

Dr. Julia Riedmeier

Ist die zunehmende Prägung der Luxusmode durch gesellschaftliche und politische Themen eine authentische Entwicklung oder eine reine Image-Strategie großer Marken?

Luxusmarken, egal aus welcher Industrie, ob Mode oder Automobil, müssen mit der Zeit gehen, um nicht aus dieser zu fallen. Luxusmode ist jedoch ein Sonderfall, da sie den Zeitgeist und das Sentiment besonders widerspiegelt. Mehr als andere Industrien bietet Mode eine schnellere, visuellere Darstellung und Antwort auf gesellschaftliche und politische Themen. Dabei kommt es ganz auf die Marke und den Markenkern an, für welche Ausprägungen sie sich entscheidet – ob lauter oder subtiler, oder eben gar nicht. Falls es zum Markenkern passt, ist die Entwicklung authentisch. Falls eine Marke eher auf einen „Trendzug“ springt, ist das eher opportunistisch zuzuordnen und wird meist vom kritischen und gut informierten Publikum schnell identifiziert.

Luxus Dr. Julia riedmeier

Luxus bedeutet für jeden etwas anderes. Für manche z.B. ein Schmuckstück, für andere ein Sonnenaufgang im Urlaub.

Wie wird sich die zunehmende Bedeutung regionaler Identitäten gegenüber einem früher dominierenden westlichen Luxusverständnis weiterentwickeln?

Der Markt wird zunehmend fragmentierter und so verstärkt sich ein Spannungsfeld zwischen großen “Heritage-Brands” und kleineren oder auch jüngeren Marken. Einerseits werden ikonische Luxusmarken immer Relevanz haben, solange sie eine kulturelle Bedeutung haben. Andererseits kommen verstärkt junge Marken auf den Markt, welche die Sprache der Kund:innen sprechen, Herausforderungen erkennen und gezielt Produkt- oder Service-Lösungen bieten. Zudem beobachte ich, dass Manufakturen besonders bei jüngeren Generationen Gefallen finden. Denn Konsumten:innen hinterfragen verstärkt das Marken- bzw. Marketingversprechen und schätzen die Nähe zu einer Marke und die Personalisierungsoptionen. Schön zu sehen ist, dass zusehends in der Gastronomie und Hotellerie die regionale Verankerung eine große Rolle spielt und die Seele des Ortes reflektiert. Natürlich gibt es “Ketten”, die jedoch ohne regionale Adaption austauschbar wären bzw. werden.

Ist der Trend zum Understatement und “Quiet Luxury” ein vorübergehender Hype oder die neue Ära des Luxus?

“Quiet Luxury”, also der subtile Luxus, reflektiert den Kern des ursprünglichen Luxusgedankens und stellt Qualität über das Logo. Zudem kann “Quiet Luxury” eine Stilpräferenz sein, Ausdruck einer Abgrenzung bzw. Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und auch die Reaktion makro-ökonomischer Bewegungen sein. Beobachtungen zeigen, dass Luxus in Zyklen kommt und mit der geopolitischen, wirtschaftlichen Lage zusammenhängt. In Zeiten des Aufschwungs und positiveren Sentiments kommen lautere Luxuscodes zum Vorschein, was nicht nur durch Logos passiert, sondern auch durch expressionistischere Farben oder Designs. Dabei kann “Quiet Luxury” von der Mode oder auch vom Interior Design gedacht werden. Luxus lebt wie Vieles in Zyklen.

Werden sich Marken in wirtschaftlich unsicheren Zeiten stärker auf emotionale Werte konzentrieren müssen statt auf rein materielle?

Jeder Luxus ist emotional und mit immateriellen Komponenten verknüpft. Und nicht nur die wirtschaftliche Situation erfordert es, dass Marken eine Lebenswelt um das Produkt herum bieten, sondern auch die generelle Markenentwicklung. Es gilt neue Dimensionen um die Marke herum zu schaffen, die diese erlebbar machen und eine kulturelle Relevanz geben. Die Sphären verschieben sich und Themen wie Community, Wissen, Experience geben eine gute Orientierung.

“Die Welt ist mehr denn je im Wandel und das bietet viele Chancen – und ist das nicht Luxus, Teil von etwas Großem und Guten zu sein?”

Dr. Julia Riedmeier

Wird sich die Modebranche langfristig in Richtung Handwerkskunst und Qualität bewegen oder bleibt der schnelle Konsum bestehen?

Das hängt von den Faktoren ab: von der Positionierung und dem Anspruch der Marke, der Produktkategorie, den Kund:innen, dem Markt und dessen Situation. Fakt ist, dass Konsument:innen aufgrund Produktionsskandalen immer kritischer werden. Zudem sind sie durch Social Media besser informiert, weshalb Kaufentscheidungen verstärkt wissend und bewusster getroffen werden. Das gilt auch für Fast-Fashion-Unternehmen, die besonders mit Themen wie Überproduktion und Lieferkettentransparenz konfrontiert sind. Jedes Modeunternehmen geht mit Trends, das ist Kern der Mode als Ausdruck eines Lebens- und Zeitgefühls. Die entscheidende Frage ist eher die Umsetzung und auf welchen Prinzipien dies geschieht.

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Was wird in 10 Jahren von der Luxus- und Modeindustrie von heute überlebt haben und was wird komplett verschwunden sein?

Mode ist ein Segment der Luxusindustrie, weshalb man hier eigentlich drei Bereiche anschauen müsste: Luxus, Luxusmode und Mode. Mode ist per se schnelllebig und Luxus eher langlebig ausgerichtet, wobei Luxusmode sich dazwischen befindet. Der Blick in die Luxuskristallkugel hängt von diversen Faktoren ab. Betrachtet man die Markenebene, werden jene Unternehmen erfolgreich sein, die ihren Markenkern wahren und die Marke anhand der Elemente an den Zeitgeist anpassen, Themen wie Transparenz entlang der Wertschöpfungskette angehen und Regularien einen Schritt voraus sind. Ebenso werden Marken gewinnen, die nahe an ihren Kund:innen sind, diese verstehen und eine Anwendungen in ihren Lebenswelten finden. Eine reine Produktlogik reicht nicht mehr aus. Vice versa werden solche Marken verschwinden, die in ihren unnahbaren Blasen leben, nicht vom Menschen – das gilt intern wie extern – denken, nicht innovieren und nicht progressiv sind. Die Welt ist mehr denn je im Wandel und das bietet viele Chancen – und ist das nicht Luxus, Teil von etwas Großem und Guten zu sein?

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