Graveurmeisterin Kirsten Lubach und ihre Passion für das alte Handwerk
Graveurmeisterin Kirsten Lubach ist mit Leidenschaft in ihr Handwerk vertieft. Das sieht man auch, wenn man sie in ihrem Kupferstich- & Druckatelier Lubach in Wien-Landstraße besucht. Das Atelier, das sich in die Biedermeierfassade der Ungargasse perfekt einfügt, ist einer der wenigen Standorte in Wien an denen die jahrhundertealte Kunst des Kupferstichs ausgeübt wird. “Geduld braucht man!”, erklärt Kirsten Lubach, denn bis ein Werk vollendet ist, braucht es viel Zeit. Ist der Kupferstich fertig, wird die Platte an den gewünschten Stellen mit Farbe versehen und durch die schwere Presse – händisch! – befördert, um den Druck auf Büttenpapier sichtbar zu machen. Für jedes Blatt ist ein eigener Druckvorgang notwendig. Im Anschluss heißt es warten, denn es braucht drei Tage bis die Farbe schließlich vollständig getrocknet ist.
“Ich hatte schon mal einen Auftrag für 2.000 Visitenkarten. Das war anstrengend!”, lacht Kirsten Lubach, während sie ein Motiv der Kollaboration mit dem französischen Künstler Alexandre Delasalle druckt. Dieser ist gerade damit beschäftigt, den Raum für die Vernissage herzurichten, denn im Rahmen der Passionswege der VIENNA DESIGN WEEK 2024 sind Lubach und Delasalle mit dem Programmpunkt “A BUZZING PROCESSION” vertreten, wo sie das Ergebnis ihrer gemeinsamen Arbeit am 20. September 2024 im Rahmen einer Vernissage präsentieren. Dabei werden klassische Rocailleornamente (Muschelwerk) mit typografischen Schnörkeln zu sehen sein sowie Mecha-Manga-Insekten und Werbefotografien kombiniert. Ein einzigartiges Zusammenspiel, das verblüfft, wenn man futuristisch wirkende Elemente mit der alten Graveurskunst kombiniert sieht.
Das #jungbleiben Magazin hatte natürlich dazu gleich ein paar Fragen an Kirsten Lubach parat …
Wie sind Sie Graveurin geworden?
Das war Zufall. Es war so, dass ich den Plan hatte Goldschmiedin zu werden. In meiner Berufsschule in Deutschland gab es die Möglichkeit, bei anderen Sparten “reinzuschnuppern”. So habe ich das Gravieren kennengelernt, bin umgestiegen, war dann da aber der einzige Lehrling, denn schon damals war die Zahl jener, die Graveur:innen werden wollten, sehr klein. Anschließend habe ich den Handwerksmeister in Finnland gemacht und bin dann im Jahr 2000 nach Wien gekommen.
Warum Wien?
Ich war bei einem Freund zu Besuch. Damals gab es noch die Innung der Graveure in der Maroltingergasse. Just an einem der Tage, wo ich da war, gab es eine Innungssitzung an der ich teilnahm. Das hat sich als richtungsweisend herausgestellt, denn an meinem letzten Urlaubstag rief mich der Innungsmeister an, der mir einen Job vermittelt hat. So bin ich nach zwei Monaten von Finnland weg und nach Wien gezogen.
Welchen Ruf hat oder hatte denn Wien in puncto Graveurkunst?
Auf gesamt Österreich bezogen, sind die Waffengraveure aus Ferlach (in Kärnten, Anm.) eine große Nummer und international bekannt. Wien – und Österreich generell – haben glücklicherweise ein Kunstverständnis und Kulturbewusstsein für altes Handwerk. Vieles, was ich hier mache, könnte ich in Deutschland oder in anderen Staaten gar nicht mehr anbieten. Schön ist, dass das Pendel jetzt wieder zurückschlägt und die Leute immer mehr Handgemachtes haben wollen. Ich habe Kund:innen, die sagen, dass sie sich etwas gönnen möchten und sie sich das auch wert sind.
Wenn es schon fast keine Graveur:innen mehr gibt – wie sind Sie denn zu Ihren Maschinen gekommen?
Die sind zum Teil über 100 Jahre alt. 2021 ist der berühmte Kupferdrucker Wolfgang Schön aus der Naglergasse in Pension gegangen. Er hat mich angerufen und gefragt, ob ich die Maschinen und seine Kundschaft übernehmen möchte. Ich habe sofort zugesagt und hier im 3. Bezirk das Geschäftslokal gefunden.
Mit Kupferstichen assoziiert man oft alte Bilder von den Großeltern …
Ja, genau. Der Hirsch in Sepiabraun. [lacht]
Was machen Sie denn bei Ihren Stichen anders?
Zum Beispiel übernehme ich für einen Kunden die Zeichnungen von technischen Anlagen und verwandle sie in einen Kupferstich. Wichtig ist mir, dass ich mit meiner Arbeit stets einen Mehrwert generiere, denn ich möchte Kund:innen zeigen, was man mit der Platte noch alles machen kann.
Wie sieht Ihr tägliches Business aus?
Mein Hauptgeschäft ist einerseits die Herstellung von Visitenkarten, andererseits Grafiken, die ich auf Auftrag herstelle. Für Firmen, die etwas anderes haben wollen oder auch Leute, die etwas vervielfältigt haben möchten. Denn das kann man nachher noch anderen Leuten schenken. Des Weiteren drucke ich für Künstler:innen Platten, biete als Spin-off meine Grafiken an, wie mein Projekt “Ein Tag am Meer” und erstelle Briefmarken-Motive für die Österreichische Post.
Kann man beliebig oft mit einer gravierten Kupferplatten drucken?
Da gehen 200 bis 400 Drucke gehen. Aber es kommt auf den Stich an! Je feiner er ist, desto schneller muss man dann nachgravieren, damit die Linien auf dem Druck dann auch sichtbar bleiben. Aber man kann unterschiedliche Dinge mit den Platten machen. Man kann beispielsweise Einladungskarten für eine Hochzeit gravieren und dann diese Platte nutzen, um Danksagungskarten zu machen, denn man kann mehrere kleine Platten zusammensetzen – wie man es eben möchte.
Wie sind Sie Teilnehmerin der Vienna Design Week geworden?
Einer der Hauptaspekte der Vienna Design Week ist, dass die Handwerker:innen mit den Künstler:innen zusammenspielen und -arbeiten. Designschaffende sollen dazu angeregt werden, etwas anders zu machen, die Handwerker:innen aus ihrer Komfortzone herausgeholt werden und das Publikum neue Facetten von Handwerk kennenlernen.