Diese 9 Köch:innen denken die Küchenwelt in der Gastronomie neu
Selbstbewusstsein, Ideen, Mut zur Veränderung, Leidenschaft und der Anspruch an sich selbst, immer besser zu werden: Das ist es, was diese 9 Talente antreibt. Wer mit dabei ist? Mit dabei Parvin Razavi, die Newcomerin des Jahres, und noch 8 junge Meister:innen ihres Fachs, von denen man schon viel hört. Oder noch hören wird. Weil sie den Gästen viele “mmhs” entlocken.
Parvin Razavi vom &flora in Wien
Gault&Millau zeichnet Parvin Razavi im Restaurantguide 2023 als Newcomerin des Jahres 2023 aus und verleiht ihrem neuen Restaurant &flora im 7. Wiener Gemeindebezirk nach nur einem Jahr Betrieb 15 Punkte und 3 Hauben. Warum? Weil sie “erstmals allein in der Verantwortung steht und gleich vom Start weg bewiesen hat, dass sie ihr Handwerk versteht und über Führungsqualität ebenso verfügt wie über Kreativität und Innovationskraft.”
Dabei ist Parvin Autodidaktin, ihrer großen Leidenschaft – dem Kochen – gibt sie sich seit 2012 hin. Die Karriere der Wienerin mit iranischen Wurzeln liest sich wie ein Märchen aus 1001er Nacht: Begonnen hat alles mit ihrem Foodblog “thanks4cooking”, der durch die Decke ging. Darauf folgten mehrere Fernsehauftritte, ihre eigene Kochshow, die Gründung ihres eigenen Caterings, drei Kochbücher und mehrere Stationen als Chefköchin in großen Häusern. Seit einem Jahr ist sie im &flora ihre eigene Chefin und die ihres rein weiblichen Küchenteams. Ihre Philosophie: lebenslustig und weltoffen, dabei aber immer streng darauf bedacht, dass “möglichst viele Zutaten regional und alle ethisch korrekt sind.”
Das Küchengeheimnis von Parvin Razavi gibt es hier zum Nachlesen.
Hanna Müller von der Forelle in Kärnten
Hanna ist die Tochter des 4 Hauben-Kochs Hannes Müller vom Genießerhotel Die Forelle am Kärntner Weißensee. Und sie tritt in seine Fußstapfen. 2022 belegt die 18-Jährige den 2. Platz im Falstaff Young Talents Cup. Aktuell macht sie die Ausbildung zur Touristikkauffrau an der Kärntner Tourismusschule inklusive Lehre zur Köch:in/Kellner:in. “Ich will lieber arbeiten, studieren war für mich nie ein Thema”, sagt Hanna.
Daheim im Familienbetrieb oder doch lieber wo anders? “Wo anders”, kommt es wie aus der Pistole geschossen. “Weil ich jetzt in den letzten Jahren immer sehr viel daheim gearbeitet hab und etwas Neues und verschiedene Arten zu kochen kennenlernen will.” Der Weg wird höchstwahrscheinlich in ein skandinavisches Land führen, einfach “weil’s ein eigener Spirit ist.” Hanna ist zielstrebig: “Wenn man weiß, was man machen möchte, ist das schon einmal ein guter Anfang.” Sie will wirklich gut kochen können und dann das Haus daheim übernehmen. „Auf einem Niveau, dass meinem Vater ähnlich ist.“
Milena Broger vom Restaurant Weiss in Vorarlberg
Für ihr Restaurant Weiss am Bodensee in Bregenz erkocht Milena 16 Punkte und 3 Hauben und zeigt damit, dass Alpenküche auf Haubenniveau möglich ist. Die gebürtige Guatemaltekin (ihre Eltern zog es erst nach einigen Jahren im Ausland wieder heim in den Bregenzerwald) rankt als eine von zwei Frauen unter den 100 Best Chefs Austria 2022. Milena lebt die Naturküche, die sie gerne mit einem asiatischen Touch versieht. Gearbeitet hat sie vorher in vielen Küchen in Japan und ganz Europa. Und mit ebenso vielen Starköchen. Jetzt beglückt sie Vorarlberg mit wirklich gutem Essen.
Lisa Krispel vom Genusstheater im Weingut Krispel in der Südoststeiermark
Wir schauen nach Straden zum Weingut Krispel. Passenderweise gehört dazu das 3-Hauben-Restaurant Genusstheater, in dem die junge Lisa Krispel werkt. Und zwar so gut, dass sie Gault&Millau zur Patissière des Jahres 2023 gekürt hat. Die 27-Jährige kümmert sich um die Desserts, den großartigen Abschluss jedes Haubenmenüs. Und um ihre eigene Marke, “made by lisa” – süße Kuchen, Torten und Tartelettes. Am Anfang hat aber auch Lisa kleine Brötchen gebacken, oder besser gesagt Blechkuchen in der Buschenschank. Wie sie den Sprung vom Blechkuchen zur besten Patissière Österreichs geschafft hat? Geholfen haben dabei sicher auch ihre Praktika. Etwa bei Konditorweltmeisterin Eveline Wild in St. Kathrein am Offenegg, im Ikarus im Hangar 7 in Salzburg oder bei René Frank im Coda in Berlin.
Clara Aue vom Biohotel Gralhof in Kärnten
Der Gralhof am Weissensee ist das Revier von Clara Aue. Im Biohotel kocht sie auf Haubenniveau, der Weg dahin war keinesfalls vorgezeichnet. Vielmehr hat Clara nach der Matura Geschichtswissenschaften studiert. Dann aber doch noch eine Kochlehre angehängt. Und im Le Salzgries und in der Labstelle in Wien gelernt, wo sie danach auch noch ein Weilchen geblieben ist. Und jetzt ist sie in Kärnten. Und verkocht dort von der Wurzel bis zum Stängel und von der Nase über die Innereien bis hin zum Schwanzerl alles. Dabei taucht sie in eine ganz andere Welt ab: “Wenn ich koche bzw. wenn ich überlege was ich kochen werde, ist es immer ein Gefühl des Aufbruches, man trifft Entscheidungen, bereitet sich vor und setzt diese Ideen oder diesen Plan in die Tat um. Das passiert jeden Tag, man weiß immer, was man den ganzen Tag gemacht hat, was man geleistet hat und bekommt rasches und direktes Feedback für die eigene Arbeit.”
Ihr Stil? Ist stark von der österreichischen Küche geprägt, dazu kommt ein mediterraner und französischer Einschlag. Dabei liebt sie Speisen, mit denen Erinnerungen und Gefühle verknüpft sind: an die Kindheit, an Urlaube oder das liebevoll zubereitete Gericht von der Oma. “Man schmeckt die Liebe und die Überzeugung, mit der diese Gerichte gemacht sind und diese Liebe ist die wichtigste Zutat überhaupt.”
Sandra Scheidl von Culinary Arts in Wien
Den Junge Wilde-Award des Food-Magazins Rolling Pin gibt es seit 2005. Erst 15 Jahre später ist Sandra Scheidl die erste Frau, die den Kochwettbewerb für sich entscheiden kann. In ihren Gerichten vereint die junge Tirolerin zwei Dinge: Geschmack und Optik. Bevor sie ein neues Gericht kocht, zeichnet sie es. Nach Stationen in renommierten Restaurants auf der ganzen Welt hat sie mittlerweile als selbständige Köchin Fuß gefasst. Für Private Dinings, als Eventköchin oder für ihr Herzensprojekt “Culinary meets Art”.
In der Eventreihe denkt Sandra das Esserlebnis komplett anders, vereint “Kunst und Kulinarik, Künstlerin und Köchin, Kunstliebhaberin und Gourmand.” Sandra sagt dazu: “Mein Beruf ist meine Passion, das Kochhandwerk mit der Kunst in Einklang zu bringen, mein Ziel.” Ihre allerliebste Reaktion eines Gastes auf ihre Gerichte? “Besonders freue ich mich, wenn ich mit meinen vegetarischen Gerichten auch absolute Fleischesser überzeugen kann.” Sandra kocht nicht nur vegetarisch, aber viel. Auch ihr Signature Dish mit Topinambur, Zedernholz und Brunnenkresse kommt ohne Fleisch aus. Über den Tellerrand geschaut hat sie schon als Kind gerne: “Ich weiß noch, dass ich schon im Kindergartenalter oft bei Freundinnen essen wollte, einfach nur um neue Sachen zu probieren, die ich noch nicht kannte.”
Viktoria Fahringer vom Tiroler Hof in Kufstein
Die 24-jährige Viktoria ist die jüngste Haubenköchin Österreichs, im Tiroler Hof ist sie die Küchenchefin. Kochen ist für sie “eine Herzensangelegenheit, etwas sehr Persönliches.” Gemeinsam mit ihrem Vater Fritz Fahringer teilt sie sich die Speisekarte – “für die Haubenküche bin ich komplett alleine verantwortlich. Eine One-Woman-Show.” Dem Familienbetrieb, den Viktoria gemeinsam mit ihrer Schwester Elisabeth führt, hat die junge Unternehmerin nicht nur in der Küche ihren ganz eigenen Stempel aufgedrückt, sie hat auch das Hotel verjüngt: Viktorias Home beherbergt fünf 4-Sterne-Boutique-Appartments.
Dafür hat sie kürzlich auch den Tirol Touristica Award verliehen bekommen. Beim Kochen ist Viktoria lieber mutig und innovativ. “Ich überrasche gerne mit Gemüse im Pré-Dessert oder modern interpretiertem Wild vom Jäger-Onkel.” Dabei spielen Gewürze eine wesentliche Rolle, Viktoria ist nämlich nicht nur Hauben-, sondern gleichzeitig Diätköchin: “Gäste freuen sich, wenn ich Kräuter und Gewürze neu kombiniere.”
So ganz besonders in meinen wechselnden Menüs. Mein Ziel ist, Kräuter und Gewürze auch so einzusetzen, dass ein 6-Gang-Menü nicht nur kulinarisch besonders ist, sondern auch gut bekömmlich.“ Zusätzlich führt Viktoria noch ihre eigene Kochschule, in der sie ihren detailverliebten, geerdeten und zauberhaften Kochstil gerne weitergibt.
Julia Leitner vom Coda in Berlin
Die junge Österreicherin ist Küchenchefin im Coda in Berlin und bildet gemeinsam mit Sternekoch René Frank die kulinarische Speerspitze des Restaurants. Was das Coda und Julias Küche ausmacht? Es ist das erste und einzige Dessert-Restaurant Deutschlands. Dessert Dining statt Fine Dining. Oder eigentlich Fine Dessert Dining. Schokolade stellt Julia mit ihrem Team im Coda jeden Tag in Bean-to-plate-Manier selbst her, dabei kommt sie (wie auch bei allem anderen) ohne künstlichen Zucker aus.
Julia zeigt, dass Desserts mehr sein können, als nur das Ende eines mehrgängigen Menüs. Nämlich hochinnovative Soloperformer, die mit dem klassischen Dessertverständnis so überhaupt nichts gemein haben.
Jaimy Reisinger vom Artis in Graz
Wir bleiben bei der Patisserie, wechseln aber von Deutschland wieder nach Österreich. Das Artis in Graz gibt es seit 2019, Jaimy ist dort Patisserie-Chefin. Im selben Jahr hat sich die heute 22-Jährige beim Falstaff Young Talents Cup den Titel als beste Patissière des Landes geholt. Für die Konditorlehre hat Jaimy ihre Ausbildung zur Grafikerin abgebrochen. „Mein Vater hat einmal zu mir gesagt: Es ist komplett egal, was du beruflich machst, wichtig ist, dass du es gerne tust und hart dafür arbeitest, dann wirst du auch erfolgreich sein.“ Mit dem Herzen dabei ist Jaimy. “Köche sagen oft, dass Kochen Herzsache ist und die Patisserie Kopfsache. Ich bin da anderer Meinung.” Auch, wenn es um Rezepte geht. Bei ihren Kreationen hält sich die Patissière an Grundrezepte, fügt aber oft Dinge hinzu, die nicht im Rezept stehen. “So bekommt ein Rezept erst Charakter und so wird es zu etwas Einzigartigem, das meine Handschrift trägt.”
Viele Dinge macht Jaimy aber auch einfach nach ihrem Gefühl. Weil sie es wichtig findet, mit dem Herzen bei der Sache zu sein und sich nicht immer nur aufs Gramm genau an Rezepte zu halten. Sie liebt das Spiel mit ausgefallenen Geschmackskombinationen. Chicoréewurzel mit Litschi, Sojasauce mit Passionsfrucht. “Es ist lustig, wie überrascht die Leute oft darüber sind, wie gut das tatsächlich schmeckt.”
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Credits:
Porträt Parvin Razavi / &flora © Michael Koenigshofer
Porträt Hanna Müller © Ferdinand Neumüller
Kochen Hanna Müller © Katharina Schiffl
Porträt Milena Broger © Adolf Bereuter
Porträt Milena Broger © Ian Ehm / riendship.is
Porträt Julia Leitner © Claudia Goedke
Porträt Viktoria Fahringer © Julian Hoeck
Porträts Sandra Scheidl © Pixelcoma Photography
Food Sandra Scheidl © Aria Sadr Salek
Porträt Clara Aue © Florian Niedermaier
Kochen Clara Aue © Marvel Drabits
Porträt Lisa Krispel © Jürgen Schmücking