Margarita Merkulova im #jungbleiben Portrait
Die Künstlerin Margarita Merkulova arbeitet mit Ton und geschmolzenem Glas, um außergewöhnliche Skulpturen zu schaffen. Wir haben die in Wien lebende Künstlerin interviewt, um herauszufinden, was sie inspiriert und warum sie es liebt, mit Ton zu arbeiten.
Wie würdest du dich selbst in 5 Worten beschreiben?
Wie einer meiner besten Freunde sagte: “Warmherzig, großzügig, emotional, ausdrucksstark, inspirierend”
Du arbeitest hauptsächlich mit Fotografie und Keramik – wie kam es zu dieser Kombination?
Meine Reise in die Kunst begann mit der Theorie. Als ich von Wolgograd nach Wien gezogen bin (2014), habe ich mich an der Fakultät für Kunstgeschichte eingeschrieben. Einige Jahre lang habe ich ausschließlich andere Künstler:innen analysiert und über sie geschrieben.
Um ehrlich zu sein, hatte ich immer Angst, selbst Kunst zu kreieren. Doch durch die Fotografie begann mein bewusster Weg in die Kunst.
Der Besuch der Schule für künstlerische Analogfotografie, Friedl Kubelka, unter der Leitung von Anja Manfredi, gab mir einen entscheidenden Schub in meiner künstlerischen Entwicklung. Er hat mir geholfen, mein kreatives Potenzial zu entdecken, an meine Fähigkeiten zu glauben und mich selbst als Künstlerin zu akzeptieren.
Gleichzeitig habe ich mich entschieden, mich in der Bildhauerei zu versuchen und wählte Ton als Medium. Das war keine zufällige Entscheidung, denn der Brennofen hat Ähnlichkeiten mit einer analogen Kamera. Genau wie die Entwicklung von Fotos in der Dunkelkammer ist auch die Herstellung von Tonfiguren ein unvorhersehbarer Prozess mit einem unvorhersehbaren Ergebnis. In diesem Moment habe ich mich als Keramikkünstlerin positioniert. Wenn ich mit Fotografie arbeite, dann immer in Verbindung mit der Bildhauerei (z.B. Keramik-Fotorahmen).
Nächstes Semester beginne ich ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, worauf ich mich schon sehr freue. Vielleicht werde ich danach neue Medien in der Kunst erkunden, um damit zu arbeiten.
Zeit, Erinnerung und Verlust sind die vordergründigen Themen in deinen Arbeiten. Bist du ein sehr nostalgischer Mensch?
Nostalgie ist so etwas wie Heimweh, und ich erlebe sie immer wieder. Ich habe sogar eine Arbeit mit dem Titel “The Secret”, die sich um das Thema Nostalgie dreht. Das Werk basiert auf den Erinnerungen meiner Mutter. Sie erzählte mir, dass sie als Kind “wertvolle” Gegenstände wie Jubiläumsmünzen, Pralinen, Blumen und Steine sammelte, sie in die Erde steckte und mit farbigem Glas überzog, um einen geheimen Schatz zu schaffen.
Ich habe das Objekt rekonstruiert, indem ich es gerahmt habe.
Für mich geht es bei dieser Arbeit um den Verlust der Heimat und das Vergessen.
Körperlichkeit ist ein weiteres großes Thema für dich. Was findest du daran so faszinierend?
Körperlichkeit ist zentral für das Material, mit dem ich arbeite. Wenn ich mit Ton in Berührung komme, fühlt es sich an, als ob ich meine Fingerabdrücke darauf hinterlasse, die nach dem Brennen ewig werden. Ton ist für mich wie eine menschliche Haut, die ich formen und in keramische Objekte verwandeln kann.
Woher nimmst du die Inspiration für deine Kunst?
Ich lasse mich hauptsächlich von Dingen in meinem Leben inspirieren und drücke diese durch die visuelle Sprache der Kunst aus. Ich beschäftige mich immer wieder mit Themen, die mit meinen persönlichen Erfahrungen zu tun haben, mit besonderem Fokus auf Verlust und Erinnerung. In letzter Zeit habe ich festgestellt, dass ich mehr aus meinem Unterbewusstsein schöpfe, wodurch eine tiefgründigere Kreativität entstehen kann.
Ich glaube daran, dass künstlerische Konzepte untereinander verbunden sind und jede Kreation ihre Wurzeln in etwas Größerem hat.
Es ist faszinierend, wie sich selbst lange nach der Fertigstellung eines Kunstwerks neue Interpretationen und Einsichten offenbaren können. Mein Ziel in der Kunst ist es, mit Objekten Geschichten zu erzählen und dabei offen und aufrichtig zu sein.
Meine Workshops finden in meinem Atelier im 8. Wiener Gemeindebezirk statt, in kleinen Gruppen von bis zu 4 Personen. Ich gehe auf jede:n Einzelne:n ein und wir suchen gemeinsam nach Formen und Ideen. Der Workshop besteht aus zwei Teilen: Beim ersten Treffen modellieren wir mit Ton, beim zweiten Teil glasieren wir.
Ich lerne bei meinen Workshops auch viel, vor allem von den Kindern – ich beobachte die Formen, die sie finden, und die Farben, die sie kombinieren.
Ich kaufe oft verschiedene Arten von Ton, Glasuren und Pigmenten für meine Workshops. Damit meine Schüler:innen eine Vielfalt an Formen, Texturen, Farben zur Verfügung haben und eine Idee von der weiten Welt der Keramik bekommen. Ich habe auch einen eigenen Brennofen, den ich wie ein vollwertiges Mitglied unseres Ateliers behandle.
Was ist dir wichtiger, wenn du eine neue Kunstfertigkeit erlernst – die Technik zu üben oder herumzuexperimentieren?
Ich denke, es ist wichtig, alle Grundlagen der Technik und des Experimentierens zu beherrschen, denn ohne sie ist es kaum möglich, den eigenen Stil zu finden und eine eigene visuelle Sprache zu entwickeln.
Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit in deiner Kunst?
In letzter Zeit habe ich mit Vöslauer Flaschenglas gearbeitet. Ich mag dieses spezielle Glas und seine Farbe sehr gerne. Wenn ich es im Ofen bei einer Temperatur von 800 Grad schmelze, beginnt das Glas, sich zu verflüssigen und fließt um die Form meiner Keramikstücke herum, wodurch sie mit neuen Bedeutungen und Zwecken erfüllt werden.
Wie bleibst du auf natürliche Weise jung?
Ich schlafe viel und trinke Wasser.
Sprudelndes, mildes oder stilles Wasser?
Natürlich mit Kohlensäure! 🙂
Credits:
Absatz 1: Portrait (c) Nick Shandra | Transformation (c) Anastasia Ermolaeva
Absatz 2: Transformation (c) Anastasia Ermolaeva | Portrait (c) Nick Shandra
Absatz 3: Geheimnis, 2023 (c) XXX | Flooding / Wasserturm (c) Julia Harrauer, Hanna Gassner
Absatz 4: Flooding, 2023 (c) Nick Shandra | Portrait (c) Nick Shandra | Flooding, 2023 (c) Nick Shandra
Absatz 5: WAF gallery – exhibition «Temp_tation» with Anabel Scheffold, curated by Philipp Pess, Lisa Jäger. Photos by Philipp Pess