Stella Rolling 300 Jahre Belvedere
Fotos: © Lukas Schaller, Gianmaria Gava Belvedere Wien

Stella Rollig im #jungbleiben Portrait

Weltkulturerbe, Barockjuwel und Heimat einer der wertvollsten Kunstsammlungen vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert – das Belvedere ist eine österreichische Institution. Seit 2017 leitet Stella Rollig als Generaldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin das Museum. Wir haben die Kunst- und Kulturmanagerin, Autorin und Journalistin – anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums – zum #jungbleiben Talk gebeten.

 

Dieses Jahr feiert das Belvedere 300 Jahre. Glauben Sie wird es Museen in dieser Art auch noch die nächsten 300 Jahre geben und wie sieht die (digitale) Zukunft des Belvedere aus (aktuell findet man das Belvedere ja auch schon im Metaverse)?

Ich weiß nicht, ob es noch Museen in dieser Form geben wird. Die Kunst und die Werke wird es bestimmt noch geben. Ich glaube, dass die Werte und das Wissen, die durch diese Werke vermittelt werden, nie unwichtig sein werden. Museen werden in 300 Jahren aber wohl anders funktionieren.

Fotos © Lukas Schaller; Gianmaria Gava

 

Das Museum im digitalen Raum weiterzuentwickeln ist eines der großen Themen, das wir entsprechend unseres Kernauftrages als Museum in den Bereichen Bildung und Wissensvermittlung, Zugänglichkeit und Niederschwelligkeit sehen.

Dazu gibt es erste Studien, die zeigen, dass sich museumsferne Menschen durch die Beschäftigung mit Online-Programmen spielerisch einen Zugang zur Kunst verschaffen, Schwellenangst verlieren und Lust bekommen, selbst ins Museum zu gehen.

 

Welche Rolle spielt die Technologie in der Kunstwelt und wie nutzt das Belvedere diese Technologien, um das Kunst- und Ausstellungserlebnis für Besucher:innen zu verbessern?

Beschleunigt durch die Pandemie ist das Digitale aus der Kunstwelt nicht mehr wegzudenken. So können insgesamt bereits über 10.900 Werke aus der Sammlung des Belvedere online abgerufen werden und es werden laufend mehr. Die über die Sammlung Online bereitgestellten Informationen können via Smartify-App seit 2021 on demand ausgespielt werden.

Besonders im Fokus steht heuer das auditive Vermittlungsangebot. Mit vielsprachigen Audiotouren im Rahmen der neuen Sammlungspräsentation Schau!, von Klimt. Inspired by … und Louise Bourgeois sowie einer Podcast-Kooperation zur Ausstellung Kolossal. Malerei im Großformat erreichen Audioguide, Museumsapp Smartify und Streamingdienste ein breites Publikum sowohl während des Museumsbesuchs als auch unabhängig davon.

Ein Teil des Belvedere, nämlich der Prunkstall mit der Mittelalterausstellung, ist schon online in 3D erlebbar. Unser erster Schritt ins Metaverse waren die „Klimt-NFTs“. Gerade arbeiten wir an einem Projekt, das spielerisch die Zeit von Prinz Eugen erkundet.

Fotos © Belvedere, Wien; Ouriel Morgensztern

 

Wie können Museen und Kunstinstitutionen dazu beitragen, die Kunst und Kultur zugänglicher und inklusiver zu machen? Wie kann man sicherstellen, dass jede:r Zugang zur Kunst hat, unabhängig von Hintergrund und finanziellen Möglichkeiten?

Die heutigen Ansprüche an ein Museum reichen von der Digitalisierung bis zur Diversifizierung der Publikumsgruppen. Dem gerecht zu werden und etwa die Ansprüche minoritärer Gruppen überhaupt erst zu erkennen führt zu vielen neuen Aufgaben.

Gruppen, die wir erreichen und einladen möchten, müssen wir erst einmal auf uns aufmerksam machen.

Wir haben dafür ein intensives Programm der Kunstvermittlung entwickelt und ein kostenlos zugängliches Public Program im Belvedere 21, das zu einem Ort lebendiger Kunstaktionen und aktuellster Diskurse geworden ist.

Seit 2018 haben wir mit Christiane Erharter eine eigene Kuratorin für Community Outreach, die unter anderem ein Nachbarschaftsforum ins Leben gerufen hat. Mit Programmschienen wie „Queering the Belvedere“ oder „30 Jahre nach Srebrenica“, sprechen wir unterschiedliche Communities in Wien an.

Als Reaktion auf den Ukraine-Krieg wurde Ukrainer:innen der Eintritt sowie Audioguides auf Ukrainisch kostenlos für den Besuch des Oberen Belvedere zur Verfügung gestellt. Gemeinsam mit Kultur & Gut und einer ukrainischen Theaterregisseurin wurde das Format der Tea Talks zur gemeinsamen Kunstbetrachtung und -besprechung als Trigger zur transkulturellen Vernetzung im Belvedere 21 reinstalliert. 2022 besuchten zudem 134.981 junge Menschen unter 19 Jahren kostenlos alle Häuser des Belvedere.

Fotos © Lidia Yudina

 

Welche Ziele verfolgt das Belvedere in Bezug auf die Förderung und Unterstützung von jungen Künstler:innen?

Durch Ankäufe von Werken zentraler Protagonist:innen der jüngeren Gegenwartskunst oder durch die Vergabe des Belvedere Art Award, der eine inklusive, queer-feministische und diversitätsorientierte Ausrichtung verfolgt, wollen wir junge Künstler:innen fördern. Regelmäßig sind Ausstellungen junger Künstler:innen zu sehen. Von 7. April bis Anfang 2024 widmet sich das Belvedere 21 unter dem Titel Über das Neue mit drei Ausstellungen den lokalen Kunstszenen. 45 Künstler:innen und 24 Projekträume zeigen die aktuelle Vielfalt der Produktion und Präsentation von Kunst in und um Wien.

 

Haben Sie eine:n Lieblingskünstler:in oder ein Lieblingsgemälde? Wenn ja, welches?

Mein Privileg besteht darin, täglich Neues entdecken zu dürfen. Manche Gemälde beschäftigen mich seit meiner Kindheit wie etwa das düstere „Stillleben mit Hammel und Hyazinthe“ von Oskar Kokoschka, andere konnte ich selbst für die Sammlung erwerben etwa einen Frauenakt von Helene Funke vom Beginn des letzten Jahrhunderts.

Eine Neuentdeckung der letzten Zeit waren für mich die Gemälde von Stanislava Kovalcikova, die eine überwältigende Präsenz und Dringlichkeit erzeugen.

Kovalcikovas Position ist beachtenswert im Zusammenhang der aktuellen neofigurativen Malerei, die sie mit kühnen Entwürfen einer nichtidentitären Gesellschaft auflädt.

Stella Rolling 300 Jahre Belvedere

Fotos © Alexander Romeo; Johannes Stoll; Gianmaria Gava

 

Wie wählen Sie die Kunstwerke aus, die im Belvedere ausgestellt werden? Welche Kriterien sind bei der Auswahl von Kunstwerken wichtig?

Wenn es um Neuerwerbungen oder um das Konzipieren von Wechselausstellungen geht, achten wir darauf, dass die ausgewählten Werke nicht nur aus kunstspezifischen Gründen wertvoll sind, sondern zugleich Geschichten erzählen. So stehen etwa im Zentrum der neuen Sammlungspräsentation im Oberen Belvedere  rund zehn Künstler:innenporträts, anhand derer die jeweiligen Produktionsbedingungen und Veränderungen einer Epoche verdeutlicht werden.

 

Worauf dürfen sich die Besucher:innen des Belvedere im Jubiläumsjahr noch freuen?

Eines der größten Veranstaltungs-Highlights im Jubiläumsjahr wird das Frühlingsfest am 13. und 14. Mai sein, bei dem ein umfangreiches Programm für alle Altersgruppen im Garten vor dem Oberen Belvedere und freier Eintritt in alle drei Häuser des Belvedere geplant sind.

Ein zeitgenössisches Skulpturenprojekt mit Arbeiten von namhaften Künstler:innen wie Louise Bourgeois, Kara Walker und Dan Graham ergänzt von Mai bis September die barocken Skulpturen rund um die drei Standorte des Belvedere. Und das malerische Frühwerk von Louise Bourgeois wird als große Entdeckung ab 22. September im Unteren Belvedere zu sehen sein.

Stella Rolling 300 Jahre Belvedere

Fotos © Lukas Schaller

Was bedeutet #jungbleiben für Sie?

“Man braucht sehr lange, um jung zu werden” meinte Pablo Picasso, der in seinen letzten beiden Lebensjahren an die 200 Werke schuf und mit 91 Jahren starb. Jenseits des vorherrschenden Jugendlichkeitskults kann Altern auch mit Erfahrung, Lebensweisheit, Kontemplation, Lebenslust und Triumph über gesellschaftliche Konventionen einhergehen. #jungbleiben bedeutet für mich, aktiv und an der Gegenwart interessiert zu bleiben.

 

Weitere spannende #jungbleiben Potraits gibt es hier

 

 


Fotocredits:

1. Passage: Außenansicht Oberes Belvedere © Lukas Schaller / Belvedere, Wien | Stella Rollig © Gianmaria Gava / Belvedere, Wien
2. Passage: Außenansicht Oberes Belvedere im Abendlicht & Innenansicht Belvedere 21 &  Außenansicht Unteres Belvedere & Außenansicht Belvedere 21 © Lukas Schaller / Belvedere, Wien
3. Passage: Gustav Klimt, Der Kuss (Liebespaar) © Belvedere, Wien | NFT-Präsentation „Der Kuss” von Gustav Klimt im Oberen Belvedere © Ouriel Morgensztern / Belvedere, Wien
4. Passage: Tea Talks © Lidiia Yudina
5. Passage: Porträt von Stanislava Kovalcikova © Alexander Romey | Stanislava Kovalcikova, Wait till the sun shines, 2022 / Courtesy of the artist and Peres Projects, Berlin, Seoul, Milan © Johannes Stoll / Belvedere, Wien | Stella Rollig und Wolfgang Bergmann (Geschäftsführung Belvedere) © Gianmaria Gava / Belvedere, Wien
6. Passage: Blick vom Oberen Belvedere über den Schlosspark auf Wien & Innenaufnahme Unteres Belvedere: Goldkabinett © Lukas Schaller / Belvedere, Wien

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