Musikerin Giovanna Fartacek träumt lauter
Giovanna Fartacek gründete mit ihrem Bruder Mario nicht nur das Musik-Duo Mynth und ist seit einiger Zeit solo als Berglind unterwegs, sondern ist jetzt auch Teil des Band-Kollektivs Bon Jour sowie Head-Bookerin für das WAVES VIENNA Festival. Das Multitalent hat mit dem #jungbleiben Magazin über ihren kreativen Prozess gesprochen und wie sie auch in ungestümen Zeiten Kraft schöpft.
Du hast verschiedene Musikprojekte. Aber alles von Anfang an: Wie hat es angefangen? Wie hast du deine Liebe für Musik entdeckt?
Ich bin zwar in keiner Musiker:innen- Familie aufgewachsen, aber definitiv in einer sehr musik- affinen Familie. Meine Eltern hatten immer schon eine große Plattensammlung und wir haben zu Hause eigentlich immer Musik gehört. Das Schöne war, dass Musik zwar immer in unserem Alltag präsent war, wir aber nie nur nebenbei Musik gehört haben. Ich würde sagen, das bewusste Musik genießen und die Fähigkeit zuzuhören, haben mir meine Eltern gelernt. Unter anderem hat mich das auf meinen Weg als Musikerin gebracht. Ich habe dann das Musische Gymnasium in Salzburg besucht, Geige und Ziehharmonika gelernt und eine Gesangsausbildung gemacht. Da hat sich sehr viel um Technik gedreht und erst als ich dann meinen Schwerpunkt auf Tanz verlagert habe, hatte ich wieder Freude an der Musik. Es war eigentlich auch nie Thema meine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Das ist dann irgendwie passiert. Heute würde ich sagen, gut so.
Kannst du dich noch an deinen ersten Song erinnern, den du geschrieben hast?
Ja! Tatsächlich haben Mario und ich ihn auch kürzlich wieder einmal angehört und geschaut, ob wir ihn noch spielen können. Da wurde mir bewusst, wie lange wir das jetzt schon machen.
Du bist solo als Berglind, zu zweit mit deinem Bruder als Mynth und jetzt auch zu siebent mit Bon Jour auf der Bühne. Sind es die unterschiedlichen Konstellationen, die das Musikmachen für dich spannender gestalten?
Viele Jahre war es ‘nur’ Mynth und ich dachte auch lange, dass der Fokus auf ein Projekt auch der Weg ist, den man gehen muss, um erfolgreich zu sein. Heute würde ich sagen, dass es nicht den einen Weg zum Erfolg gibt. Abgesehen davon muss man Erfolg erst einmal (für sich) definieren. Ich finde meine Erfüllung in der Abwechslung und ich brauche auch hin und wieder Abstand von einzelnen Projekten, um wieder kreativ sein zu können. So wird es für mich möglich vielen Herzensprojekten nachzugehen.
“Für mich ist Kunst etwas Fundamentales und deswegen politisch.” – Giovanna Fartacek
Wovon lässt du dich gerne inspirieren? Sind es Geschichten aus deinem Leben oder auch Geschichten von anderen?
Es sind Geschichten über die Dinge, die mich beschäftigen. Meistens sind das recht existentielle Themen, weil ich einfach ein sehr nachdenklicher Mensch bin und mir das Weltgeschehen gerade ziemlich nahe geht. Persönlich beschäftige ich mich viel mit der Endlichkeit. Musik, vor allem aber wenn ich sie live auf die Bühne bringe, gibt mir irgendwie das Gefühl, dass die Zeit für einen kurzen Moment in meinen Händen liegt. Bei Konzerten gelingt es mir meistens voll im Moment zu sein. Dieses ‘rauszoomen’ ist manchmal so wichtig, um wieder neue Kraft zu schöpfen, um unter anderem auch politische und aktivistische Arbeit leisten zu können, denn für mich ist Kunst etwas fundamentales und deswegen auch politisch. In den letzten Jahren habe ich oft darüber nachgedacht, ob es in der heutigen Zeit, die aufgrund der Weltlage und der damit einhergehenden aktuellen Geschehnisse, die von so viel Schwermut geprägt sind, überhaupt zumutbar ist, in meiner Musik noch zusätzlich eins draufzulegen und über die Endlichkeit des Lebens zu schreiben? Gerade dann, wenn die Welt eigentlich am Untergehen ist? Musik sollte doch eigentlich einen Unterhaltungswert haben, oder nicht? Meine Antwort: Jein.
Die Musikbranche wird auch gerade von der KI-Welle überrollt. Wie gehst du damit um?
Gerade jetzt, wo wir kurz davor stehen – oder eher schon mittendrin sind – dass KI das Songwriting und einen großen Teil vom Musikmarkt übernimmt, finde ich es wichtig, über Themen zu schreiben, die einen bewegen. Einfach den Sound zu machen, der aus einem herauskommt, auf den man einfach Bock hat.
“Es war eigentlich nie Thema meine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Das ist dann irgendwie passiert. Heute würde ich sagen, gut so.” – Giovanna Fartacek
Du bist Head-Bookerin des Waves Vienna Festivals und dort auf “der anderen Seite”. Wonach hältst du Ausschau, wenn du ein Line-up zusammenstellst?
Ich schaue mir die Acts wenn möglich vorher live an, bevor ich sie buche. Da kommt einfach noch mal so viel mehr rüber. Zudem ist es mir sehr wichtig mehr Sichtbarkeit für FLINTA* Personen in der Musikbranche zu schaffen. Es gibt so wahnsinnig viele gute Acts da draußen, sicher mehr als ich buchen kann, aber es ist längst an der Zeit, dass hier mehr Diversität in der Musikbranche sowie in allen Bereichen herrscht.
Was ist dein Projekt, das 2024 bestimmen wird?
Ich habe mir Ende 2023 vorgenommen, mehr auf mich zu schauen und mehr Pausen zu gönnen. Eigentlich ist dieses Vorhaben das, was in diesem Jahr sicherlich immer ein bisschen mitschwingen wird. Gleichzeitig stehen so viele schöne Projekte und neue Herausforderungen an, auf die ich mich sehr freue. Das 10 Volt Festival, wo ich im Kernorganisationsteam mit dabei bin, geht im Mai in die nächste Runde. Mit Berglind und Mynth steht wieder Studiozeit an, im April geht’s mit Bon Jour auf Österreich Tour und im September findet das Waves Vienna statt, für das ich in meiner neuen Funktion erstmals fürs Line-up verantwortlich bin. Ich glaube, es wird ein sehr intensives Jahr und ich wünsche mir, dass mir dieser Balanceakt zwischen Arbeit und Auszeit gelingen wird.
Verrate uns doch bitte zum Schluss deine liebsten Artists, die sich immer wieder auf deiner Playlist finden!
Rosalía, Ätna, Orbit, FKA Twigs, Robyn, Four Tet, IDER, Apparat, Perfume Genius, SBTRKT, Bon Iver, War on Drugs, Khruangbin, Sharon van Etten, Lana del Rey, K.Flay, Max Richter, Beach House, Tame Impala, HAIM, Tom Waits, Jessie Ware, Moderat, Nao, Kwamie Liv, und viele mehr!